Fachinformationen für Ärzte und Therapeuten

Evidenzlage der ambulanten Kur

Weltweit ist die COPD gegenwärtig die vierthäufigste Todesursache. Für die nächsten Jahrzehnte ist ein weiterer Anstieg der Prävalenz (2030 ca. 8 Mio/Deutschland), Morbidität und Mortalität zu erwarten mit unbestritten enormer sozioökonomischer Bedeutung (Krankenhausstatistiken von 1996 2.7 Mio. Krankenhaustage für alle obstr. Atemwegserkrankungen, volkswirtschaftliche Gesamtkosten vorsichtigen Schätzungen nach 5.93 Mrd. EURO).
(Vogelmeier C et al Leitlinien Deutsche Atemwegsliga)

Stellt man die NNT eines Standardmedikamentes (16 nach einem Jahr Behandlung bei unveränderter Hospitalisierungsrate und Mortalität) der einer Rehabilitationsmaßnahme nach akuter Exacerbation (NNT 4 nach 25 Wochen Beobachtung mit dem Ziel Hospitalisierung, NNT 5 nach 107 Wochen Beobachtung mit dem Ziel Mortalität) gegenüber, wird die Bedeutung der Durchführung von Kur-/Rehabilitationsmaßnahmen deutlich. Die Evidenzlage über die erreichten Therapieeffekte (stat./ambulant) ist eindeutig.

Die positive Datenlage hat auch dazu geführt, dass das IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) Rehabilitationsprogramme für Patienten mit COPD als sehr erfolgreich empfohlen hat.
(IQWiG erstellt 14.3.2011)

Evidenzlage im Einzelnen

  • Gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit EVIDENZ A
  • Reduktion der Dyspnoe EVIDENZ A
  • Steigerung der krankheitsspezifischen Lebensqualität EVIDENZ A
  • Reduktion der Anzahl und Dauer von KH Aufenthalten EVIDENZ A
  • Abnahme COPD assoziierter Angst/Depression EVIDENZ A
  • Kraft- und Ausdauertraining der oberen Extremität verbessert Funktion der Arme EVIDENZ B
  • Positive Effekte eines Trainingsprogramms überdauern Trainingsperiode EVIDENZ B
  • Lebensverlängerung EVIDENZ B
  • Atemmuskeltraining, insb. kombiniert mit allgemeinem körperlichen Training EVIDENZ B
  • Psychosoziale Intervention ist hilfreich EVIDENZ C

Maßnahmen der Heilmittelerbringer

In dem bestehenden Qualitätszirkel der Heilmittelerbringer arbeiten Atemphysiotherapeuten, Klimatherapeuten, Sporttherapeuten, Ernährungsberater sowie Atmungstherapeuten mit.

Atemphysiotherapie

Hauptziel der physiotherapeutischen Atemtherapie ist eine Erleichterung der erschwerten Atmung in Ruhe und bei körperlicher Belastung sowie eine Verbesserung der Bronchialsekretclearance und damit der Hustensymptomatik (Evidenz C). Dazu stehen folgende Maßnahmen zur Verfügung

Übung von Relaxations-/Atemtechniken

Atemerleichternde Körperstellungen (z.B. der Kutschersitz) unterstützen den Einsatz der Atemhilfsmuskulatur und vermindern in Kombination mit der Lippenbremse einen Kollaps der kleineren Atemwege mit Reduktion der Lungenüberblähung.
Beim Atemtraining werden Übungen zur Verbesserung der Lungenkapazität, Stärkung der Atem-/Atemhilfsmuskulatur durchgeführt sowie Techniken zur vermehrten Bauchatmung angewendet.

Terraintraining

Hierbei wird auf der einen Seite das Mittelgebirgsklima (Nutzung kühler Luft, Wind) zur zusätzlichen Stärkung und Besserung der Thermo-/Kreislaufregulation genutzt, v.a. bei multimorbiden Patienten oder Kindern, die von der Reizintensität der anderen Klimazonen überfordert wären. Dies führt zu physiologischen Adaptationen im Sinne einer Abhärtungsreaktion und somit verminderter Infektanfälligkeit und (durch die Sonnenstrahlung) vermehrter Vitamin D Bildung. Beim dosierten Gehen auf Wegen mit unterschiedlichen Steigungsraten und Wegbeschaffenheiten (Waldboden, Sand) ergänzen sich die therapeutischen Auswirkungen des Ausdauertrainings.
Als Kontraindikation ist eine exogen allergische asthmatische Komponente zu beachten.

Inhalationen

Über so genannte Prallkopf- oder Ultraschallvernebler werden Aerosole in die Atemwege eingebracht (über Inhalationsmasken oder spezielle Mundstücke); die wichtigsten Therapieziele sind die Mukolyse und Entzündungshemmung. Die verwendeten Inhalate enthalten Natriumchlorid= Kochsalz (osmotische Schleimverflüssigung, Aufbrechen von Kalziumbrücken der Mucopolysacharide), Hydrogencarbonat (Senkung der Sputumviskosität), Jodid (sekretolytische Eigenschaften) und Kalzium (Entzündungshemmung). Selbstverständlich können auch die bekannten antiobstruktiven Inhalativa mitappliziert werden.

Sekretolysemaßnahmen

Lagerungen mit Dehnungen des Thorax unter Nutzung der Schwerkraft sowie veränderter Ventilations-/Perfusionsverhältnissen, Vibrationen und Kompressionen des Thorax dienen zur Sekretmobilisation und erleichterten Sekretelimination.

Reflektorische Atemtherapie - Hilfsmittelversorgung

Bei anamnestisch wiederholten akuten Exacerbationen mit Sekretretentionen oder zusätzlich vorliegenden Bronchiektasen ist die Verordnung eines Ultraschallverneblers sinnvoll.
Möglich ist im Verlauf auch die Verordnung eines VRP Desitin (oder RC Cornet) zur Fortführung der Sekretolysemassnahmen in der Häuslichkeit. Bestehend aus einem Plastikgehäuse mit einer kleinen Metallkugel im Innern (oder Latexschlauch beim RC Cornet), kann der Patient selbstständig mehrfach am Tag über 5-10min aufrecht sitzend in das Gerät ausatmen und im Anschluss leichter das zähe Bronchialsekret abhusten (Evidenz C). Der RC Cornet besitzt den Vorteil, dass er unabhängig von der Schwerkraft in jeder Körperlage anwendbar ist; der Patient kann den Grad des Widerstandes bzw. die günstigste Körperposition eigenständig ermitteln.

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